Waldgeschichte in Mitteleuropa


Nacheiszeitliche Waldentwicklung

In einer warmen Zeitepoche von 5.500 bis 2.500 v. Chr. dehnten sich die Mischwälder aus Eichen, Linden, Ulmen und Eschen aus. Das dann folgende etwas kühlere und feuchtere Klima führte dazu, dass die Eichen sich auf die Ebenen zurückgezogen haben, während die Buchen heute ohne menschlichen Eingriff die am weitesten verbreiteten Bäume wären.


 Von Natur aus müssen etwa 80-85% der Landoberfläche Baden-Württembergs von Wald bestockt gewesen sein. Waldfrei waren einst lediglich größere Moorlandschaften, beispielsweise das Federsee-Moor bei Bad Buchau.

In der Region des heutigen Baden-Württemberg hatten Buchenwälder den größten Flächenanteil am Naturwald. In den wärmeren, tiefergelegenen Lagen trat die Eiche stärker in den Vordergrund, in Mittelgebirgen, wie dem Schwarzwald oder dem Schwäbischen Wald spielen von Natur aus die Nadelbäume, vor allem die Tanne, eine größere Rolle. Die Wald-Zusammensetzung aus Pollenanalysen verschieden tiefer Torfmoor-Schichten abgeleitet.

Der Mensch verändert die Landschaft

Die Zeit um 5500 v. Chr. markiert in Mitteleuropa den Beginn der Jungsteinzeit. Diese ist für die Waldgeschichte deshalb von großer Bedeutung, weil sich etwa zu dieser Zeit der Übergang von der aneignenden zur produzierenden Wirtschaftsweise vollzog. Es war der Beginn von Viehhaltung und Ackerbau. Hatte der Mensch die Wälder lediglich passiv als Jäger und Sammler genutzt, bedingte die neue landwirtschaftliche Lebensweise die Rodung von Wäldern.

Mit dem Übergang vom Jäger und Sammler zum seßhaften Bauern begann der Mensch den Wald zurückzudrängen. Rodungen beschränkten sich anfangs auf die fruchtbarsten Böden in tieferen Lagen, denn die Bevölkerungsdichte war - verglichen mit heute - äußerst gering. Die Mittelgebirgswälder blieben bis ins Mittelalter weitgehend unangetastet. Noch der römische Schriftsteller TACITUS (55-120 n. Chr.) beschrieb Germanien noch als Land "mit unheimlichen Wäldern und abscheulichen Sümpfen", also als weitgehende Wildnis.

Wald-Entwicklung im Wandel gesellschaftlicher Bedürfnisse

Im Mittelalter verstärkte sich der Einfluss der Menschen auf den Wald. Von den Rodungen für Acker- und Weideland waren vor allem die fruchtbaren Laubwaldböden betroffen, so dass sich bereits damals der Nadelwaldanteil erhöhte. Holz diente bis zum Ende des vergangenen Jahrhunderts vor allem zum Heizen, Kochen und als Baumaterial für Häuser.

Im späteren Mittelalter, insbesondere als Folge des Dreißigjährigen Krieges konnte sich die Waldfläche wieder etwas ausdehnen.  Während der Wald noch im Mittelalter lediglich als Siedlungshindernis und als „Unland", bestenfalls als Jagdterritorium gesehen wurde, erkannte man mehr und mehr den Nutzen des Waldes als Weideland. Mit der Waldweide war die Eiche wegen der Eichel-(Schweine-) Mast stark gefördert worden. Im „Mittelwaldbetrieb" sorgten alte, starke Eichen für die Eichelmast und den Bauholzbedarf; periodisch gehauenes Unterholz diente der Brennstoffversorgung.

Nach der Einführung der Viehhaltung im Stall wurden benötigte man Einstreu im Stall; hierzu wurde ab da jahrhundertelang Blätter und die belebte Humusschicht im Wald abgetragen und später als Mist-Dünger auf die Äcker ausgebracht. Das führte dazu, dass der Waldboden mit der Zeit verarmte, mancherorts sogar biologisch tot war. Die Streunutzung war einer der waldschädlichsten Eingriffe. Sie wurde aber erst Mitte des 20. Jahrhundert eingestellt.

Vom 16. bis 19. Jahrhundert wurden für die großen Kolonial- und Handelsflotten „Holländertannen“ vom Schwarzwald auf dem Rhein bis nach Holland geflößt, so dass der Schiffsbau stark zum Niedergang der Wälder beigetragen hat. Zusätzlich große Holzmengen benötigten im Mittelalter der Bergbau, die Glashütten und die Salinen zum Schmelzen und Sieden.

Vom Hochmittelalter bis ins 18. Jahrhundert nahm der Holzbedarf im Zuge der einsetzenden Industrialisierung stetig zu. Bergbau, Erz- und Glasverhüttung sowie Salinen (Salzbergwerke)  und der Schiffsbau machten riesige Mengen Holz als Bau- und Brennstoff erforderlich (Kohle und Öl standen dafür noch nicht zur Verfügung). Das damit verbundene zunehmende Bevölkerungswachstum (heizen, kochen, bauen) tat ein übriges. Der Holzeinschlag erfolgte meist völlig ungeregelt und ohne Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit des Waldes. Die Menschen drangen immer tiefer in die großen Waldgebiete (Schwarzwald, Schwäbischer Wald, Odenwald) zur Holznutzung vor. Um den immer weiteren Transport zu bewerkstelligen, nutzte man die Methoden der Flößerei (Transport aus dem Wald auf dem Wasser in die Städte) und die Köhlerei (Durch die Holzverkohlung wurde das Gewicht bei fast gleichbleibendem Heizwert drastisch reduziert. Siehe Alte Waldgewerbe)

So kann man sich den Waldzustand zu Beginn des 19. Jahrhunderts etwa wie folgt vorstellen:

  • Es gab riesige Kahlflächen durch die jahrhundertelange Übernutzung.
  • Große Flächen zeigten Nährstoffarmut aufgrund der verheerenden Streunutzung.
  • Es fehlte jegliche Naturverjüngung aufgrund des Verbisses durch hohe Wildbestände.
  • Nur anspruchslose Vegetation konnte sich noch entwickeln; Laubbäume hatten keine Chance.
Alpirsbach 1839 (Foto: Müller / Freudenstadt)
Alpirsbach 1839 (Foto: Müller / Freudenstadt)
Alpirsbach um 2000 (Foto: P. Weidenbach)
Alpirsbach um 2000 (Foto: P. Weidenbach)

Nachhaltigkeit als Richtschnur forstlichen Handelns

Im Zuge der entstehenden Holznot schlug die Geburtsstunde des Gedankens der Nachhaltigkeit als Richtschnur einer geregelten Forstwirtschaft sowie der Forstwissenschaften.

Im 19. Jahrhundert wurden infolge einer Holzmangelsituation große Flächen vorrangig mit Fichten und Kiefern aufgeforstet, da diese beiden unempfindlichen Baumarten bei gleichzeitig gutern Holzeigenschaften und einer guten Holzausbeute die geringsten Schwierigkeiten bereiteten. Zudem stellten diese Nadelbaumarten, großflächig als Monokulturen gepflanzt, die geringsten Ansprüche an die Ausbildung der Förster und Waldarbeiter.

Dennoch waren diese flächigen Aufforstungen eine Kulturtag erster Güte, denn es entstanden wieder Wälder. Diese Anstrengungen setzten sich bis weit ins 20. Jahrhundert hinein fort. Solange der Wald lediglich als Holzproduzent gesehen wurde und vergleichsweise beachtliche Erträge abwarf, konnte sich die Fichte lange als relativ anspruchslose und unkomplizierte „Brotbaumart" durchsetzen.

Mit wachsenden Erkenntnissen und Erfahrungen um biologische und ökologische Zusammenhänge und mit rasch wachsender Bedeutung anderer Waldfunktionen wurde mehr und mehr Wert auf einen vielfältigen Waldbau gelegt. Der endgültigen Durchbruch einer naturnahen Waldbewirtschaftung auf großer Fläche markierten die beiden "Jahrhundert-Orkane" Vivien / Wiebke 1990 und Lothar 1999. Standortswidrige Nadelholz-Reinbestände wurden von den Stürmen geworfen oder so stark in Mitleidenschaft gezogen, dass sie einem nachfolgenden jahrelangem Borkenkäfer-Befall zum Opfer fielen.

Heute nimmt der Wald in Baden-Württemberg knapp 1,4 Millionen Hektar der Landesfläche ein. Die nachhaltige, naturnahe und multifunktionale - also viele gesellschaftliche und ökologische Erfordernisse erfüllende - Waldwirtschaft der Weg der Zukunft zu sein. Dennoch wird Wald auch heute noch - von anderen Faktoren - gefährdet oder in seiner Existenz bedroht:

  • Die Emissionsbelastungen durch unsere Industriegesellschaft setzen dem Wald - seit Beginn der 80er Jahre - stark zu.
  • Ein hoher Flächen"verbrauch" und die anhaltende Zersiedlung der Landschaft belastet das Ökosystem stark, auch wenn der Waldanteil in Baden-Württemberg absolut gesehen für ein Industrieland hoch ist.

Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald setzt sich deshalb seit 1948 dafür ein, dem Wald eine möglichst breite gesellschaftlich-politische Lobby zur Seite zu stellen.