Auf Spurenjagd im Wald


Unterwegs mit der Spurenjägerin

Noch ist es dunkel im Welzheimer Wald an diesem Spätsommertag. Früh morgens bewaffnet sich Astrid Szelest für die Jagd. Aber nicht mit einer Flinte. In ihren Rucksack packt sie Maßband, Zollstock, Fotoapparat, Mikadostäbchen, Schreibzeug, Fernglas und eine Thermoskanne mit heißem Tee.


Im Morgengrauen zieht sie los zur Spurenjagd. Nebelschwaden liegen wie eine dünne Daunendecke im Leintal, langsam dämmert es. Eine Ricke mit zwei Kitzen äst auf der Wiese unterhalb des Tannwalds.

 

Spuren lesen ist wie meditieren. Wenn ich auf einer Fährte bin, muss ich fokussiert sein, bin im Hier und Jetzt. Andere Gedanken haben da schlichtweg keinen Platz. Die Umgebung erwacht zum Leben, am Ende der Spur ist ein lebendiges Tier“, so die Welzheimerin Astrid Szelest. Beruflich ist sie bei der Stadt Backnang im Amt für Familie, Jugend und Bildung für die Schulen zuständig. In ihrer Freizeit verbringt die Wildnispädagogin jede freie Minute draußen. Teilt ihre Freude an der Natur bei Aktionen der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, Kreisverband Rems-Murr, im Schwäbischen Wald und bei Wildnistouren in Russland. Sie leitet den Stützpunkt der Wildnisschule Wildniswissen in Baden-Württemberg, hat bei der Schule in einem einjährigen Intensivkurs die Kunst des Spurenlesens gelernt und bereitet sich gerade auf die Abschlussprüfung vor.

 

Am schlammigen Leinufer geht Szelest langsam entlang und entdeckt viele Abdrücke, die wie kleine Hundespuren aussehen. Mit den Mikadostäbchen wird jeder einzelne Abdruck markiert. Die Vorderfüße rot, die Hinterfüße blau. Rund fünf Meter verläuft die Spur am Bach entlang und mit den Mikadostäbchen wird ein Muster deutlich. Eine Ansammlung von Pfotenabdrücken, denen immer wieder eine Lücke folgt. Akribisch werden die einzelnen Abdrücke, die man auch Trittsiegel nennt, gemessen. Auch die Breite der Spur und der Abstand zwischen den Pfotenabdrücken. All das wird in ein Spurenprotokoll eingetragen und fotografiert. Welches Tier war das? Eines, das sich flink bewegt und nicht allzu groß ist, die Spur sieht dynamisch aus. Bei Hunden drücken sich vier Zehen mit Krallen im Untergrund ab. Bei der Spur am Leinufer sind fünf kleine Zehenballen mit Krallen sichtbar. Die Pfotenabdrücke und die Maße sprechen für einen Marder. Beim Baummarder sieht man in schlammigen Fußspuren oft Abdrücke von Haaren, nicht bei dieser Spur. Wahrscheinlich war es ein Steinmarder. Aber wann hatte er diese Spuren in den Sand gedrückt? Mit der Nase fast auf dem Boden kniet Astrid Szelest am Bachufer. Heute Nacht hat es leicht geregnet, die Regentropfen sieht man im Schlick. In den Trittsiegeln sind keine Tropfenabdrücke sichtbar, demnach ist der Marder heute früh nach dem Regen hier, vielleicht auf der Jagd nach seinem Frühstück, entlang gesprungen.

 

Ein Feldhase schreckt auf. Er hat zuvor an einem kniehohen Busch geknabbert, der fast wie mit einer Gartenschere abgezwickt aussieht. Typisch für die Hasen. Bei der Spurenjagd sind neben den Trittsiegeln Fraßspuren zu finden. Tierpfade, Liegestellen, Kot und Markierungen sind ebenso wichtige Hinweise auf die Bewohner in Wald und Flur.

Waschbär-Fährte im Welzheimer Wald
Waschbär-Fährte im Welzheimer Wald

Nur wenige Meter weiter andere Spuren mit fünf Fingern, die an kleine Kinderhände erinnern. Mindestens zwei Tiere waren hier am Bachufer, wohl eher gemütlich, unterwegs. Das wird wieder durch die Mikadostäbchen deutlich. Eine Bärenfamilie wohnt hier. Ja, auch im Schwäbischen Wald gibt es Bären – Waschbären! Ein Tier war offenbar verletzt, setzt die rechte Hinterpfote kaum auf. Tatsächlich ist in einem Trittsiegel im Sand etwas Blut zu erkennen.

 

In Russland verfolgt Astrid Szelest seit vielen Jahren gemeinsam mit ihrem Mann Rüdiger die Fährten von Wolf, Bär, Luchs, Elch und Co. Oft tagelang spüren sie im Winter Wolfsrudeln hinterher oder folgen einem Luchs, entdecken die Liegeplätze der Elche. Und sie finden im Sommer heraus, wo die Bären nachts unterwegs waren. Durch die Spurenjagd lernen sie mit ihren Gruppen, daheim und auf Reisen, viel über die Lebensweise der Tiere sowie die ökologischen Zusammenhänge. Wichtig sei es, die Tiere nicht zu stören. Deshalb halten sie auch immer den Kontakt zu Förstern und Jägern.

 

Braunbär-Spuren aus der russischen Wildnis
Braunbär-Spuren aus der russischen Wildnis

Im Welzheimer Tannwald sind die ersten Jogger morgens unterwegs als Szelest auf dem Heimweg ist. In der Morgensonne genießt sie auf einem Baumstumpf eine dampfende Tasse Tee: „Ich bin tief mit meiner Heimat, dem Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald, verbunden. Unseren Wäldern und den Tieren, die hier leben. Spurenlesen fasziniert mich. Das möchte ich an andere weiter geben!“.


Hinweis:

Ab kommenden Herbst bieten wir Spurenexkursionen im Rems-Murr-Kreis an. Veranstaltungsinfos finden auf dieser Seite und in Ihrer örtlichen Presse.

Wildnisschule Wildniswissen
Informationen über Wildnistouren mit dem Ehepaar Szelest sowie Fährtenleser-Ausbildungen:

www.wildniswissen.de


Eine Plattform der Wildnisschule Wildniswissen für alle Spurenjäger und Naburbegeisterte:

www.spurenjagd.de


Für weitere Infos:

Astrid Szelest (Szelest@gmx.de)