Waldzustand in Baden-Württemberg
Waldzustandsbericht 2023
Waldzustandsbericht 2023
Baden-Württemberg (©Broschüre: FVA)
Zusammengefasste Ergebnisse
des Waldzustandsbericht 2023
Allgemeine Erhebungsdaten zum Wald, Waldaufbau und Zuwachs finden Sie auf der Seite Waldinventur.
Die vergleichsweise günstigen Witterungsbedingungen des Jahres 2023, mit ausreichend Niederschlag im Frühjahr und häufigen Regenereignissen im Juli und August, haben zu einer teilweisen Regeneration der Wälder beigetragen. Die Folgen der ausgeprägten sommerlichen Hitze- und Dürreperioden der vergangenen Jahre sind in den Wäldern Baden-Württembergs in allen Landesteilen aber weiterhin unübersehbar. Eine hohe Absterberate sowie ein schlechter Kronenzustand der Bäume prägen vielerorts das Waldbild.
Leichte Erholung – jedoch weiterhin starke Schäden
Die mittlere Kronenverlichtung der Wälder verringert sich im Jahr 2023 um 1,5 Prozentpunkte auf 26,9 Prozent. Der Schädigungsgrad der Wälder Baden-Württembergs ist allerdings
weiterhin sehr hoch. Seit dem Beginn der Waldzustandserhebungen wurde lediglich in den Jahren 2019, 2020 und 2022 eine höhere Kronenverlichtung festgestellt. Aktuell gelten 44 Prozent der
Waldfläche als deutlich geschädigt. Neben den Folgen der Hitze- und Dürrejahre beeinträchtigen in diesem Jahr erneut verschiedene Schadorganismen wie holzbrütende Insekten, blatt
fressende Raupen bzw. Käfer sowie pilzliche Schaderreger die Vitalität der Wälder.
In Baden-Württemberg ist seit dem Jahr 2018, ausgelöst durch Sturm- und Schneebruchholz in Kombination mit ausgeprägten sommerlichen Dürrephasen, eine massive Ausbreitung verschiedener Fichten- und Tannenborkenkäfer zu beobachten. Auch im Verlauf des Jahres 2023 führte die hohe Ausgangspopulation der Borkenkäfer, trotz verzögerter Entwicklung nach kühl-feuchter Frühjahrswitterung, zu einer hohen Absterberate von Fichten und Tannen. Besonders betroffen waren der Schwarzwald sowie die nordöstlichen Landesteile von Baden-Württemberg.
Während der Kronenzustand der Fichten im Lan desdurchschnitt mit 24,9 Prozent mittleren Nadelverlust imVergleich zum Vorjahr nahezu unverändert bleibt, zeigt sich dieses Jahr im Kronenzustand der Tannen eine Verbesserung. Besonders junge Bäume erwiesen sich dieses Jahr als sehr vital. Der Nadelverlust der Tannen verringert sich im Mittel auf 23,5 Prozent.
Für die Kiefer stellen die trocken-heißen Standorte der Oberrheinebene einen besonderen Schadensschwerpunkt in Baden-Württemberg dar. Durch Trockenstress und starken Mistelbefall kommt es hier seit mehreren Jahren zu einer starken Schädigung der Bäume. Geschwächte Kiefern sind zudem prädisponiert für einen Befall durch verschiedene Schwächeparasiten wie Diplodia (Pilzinfektion) oder holzbrütende Käfer, deren Befall häufig zum Absterben der Bäume führt. Aber auch in anderen Regionen Baden-Württembergs zeichnet sich seit wenigen Jahren ein ähnliches Schadgeschehen bei einzelnen Kiefern ab. Dennoch verringert sich dieses Jahr, unter dem Einfluss ausreichender Niederschläge, der Nadelverlust der Kiefern landesweit auf 31,4 Prozent.
Ebenfalls verbessert hat sich der Kronenzustand der Douglasien. Der mittlere Nadelverlust verringert sich auf 19,2 Prozent. Besonders vital zeigen sich dieses Jahr junge Douglasien, während bei älteren Bäumen oftmals unter dem Einfluss des pilzlichen Erregers der Douglasienschütte stärkere Kronenschäden auftreten.
Der mittlere Blattverlust der Buchen hat sich gegenüber dem Vorjahr mit 32,3 Prozent kaum verändert. Durch die häufigen Niederschläge während der Vegetationszeit wurden auch bei der Buche deutlich weniger Trocknisschäden registriert, als dies noch in den Vorjahren der Fall war. Jedoch führten ein erhöhter Fruchtbehang und ein verstärkter Befall durch den Buchenspringrüssler wiederholt zu einer starken Belastung der Bäume, die sich in einer erhöhten Kronenverlichtung älterer Buchen zeigte. Dagegen hat sich dieses Jahr der Vitalitätszustand jüngerer Buchen nach den erheblichen Trockenschäden im Vorjahr deutlich erholt.
Auch der Kronenzustand der Eiche hat sich dieses Jahr spürbar verbessert. Insbesondere bei älteren Eichen konnte gegenüber dem Vorjahr eine Regeneration der Baumkronen festgestellt werden, die häufig sehr große Blätter und eine dichte Belaubung aufwiesen. Begünstigt wurde die Erholung des Vitalitätszustandes durch eine geringe Blüh- und Fruchtintensität und damit eine geringere physiologische Belastung der Eichen. Der mittlere Blattverlust der Eichen verringert sich dementsprechend deutlich auf 29,4 Prozent. Regional wurden allerdings auch dieses Jahr stärkere Kronenschäden an Eichen registriert, die zum einen durch blattfressende Schmetterlingsraupen oder Mehltaupilzbefall verursacht wurden. Zum anderen werden seit einigen Jahren insbesondere auf flachgründigen und wenig wasserspeichernden Böden stärkere Kronenschäden beobachtet. Geschwächte Eichen sind zudem besonders durch den Eichenprachtkäfer gefährdet.
Im Vergleich mit den anderen Baumarten ist der Schädigungsgrad des Bergahorns im Landesdurchschnitt geringer, was auf den hohen Anteil an jungen Bäumen dieser Baumart zurückgeführt werden kann. Gegenüber dem Vorjahr verringert sich der mittlere Blattverlust des Bergahorns auf 17,2 Prozent. Nach den vergangenen Trockenjahren ist an geschwächten Bäumen vermehrt die Ahorn-Rußrindenkrankheit aufzufinden: eine Pilzerkrankung, bei der auf der Rinde ein schwarzes Sporenlager anlegt wird und befallene Bäume meist innerhalb kurzer Zeit absterben.
Besonders dramatisch stellt sich der Vitalitätszustand der Esche dar, die stark unter dem Befall des pilzlichen Erregers des Eschentriebsterbens leidet. Neben einer Schädigung der Eschentriebe bilden sich im Zuge der Krankheit oftmals Stammfußnekrosen, die zu einer Instabilität der Eschenbestände führen. Die Mortalitätsrate der Eschen ist stark erhöht, so dass der Eschenanteil im Land seit einigen Jahren kontinuierlich abnimmt. Der Schädigungsgrad der (bislang) überlebenden Eschen ist zudem mit einem mittleren Blattverlust von 42,6 Prozent sehr hoch.
Fazit
Das Jahr 2023 war mit seiner feuchten und über längere Phasen milden Witterung eine Verschnaufpause für den Wald. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass extreme Hitze- und Trockenjahre im Zuge des Klimawandels immer häufiger werden und die Wälder einer weiterhin zunehmenden Belastung ausgesetzt sein werden. Auch wenn die aktuelle Phase wiederholter Dürre- und Hitzejahre die Debatte um die beobachteten Waldschäden dominiert, darf nicht vergessen werden, dass auch andere Stressoren, und ganz besonders eine eingeschränkte Nährstoffversorgung, den Wald und seine Vitalität stark beeinträchtigen.
(Quelle: FVA Baden-Württemberg: Waldzustandsbericht 2023 - auszugsweise)
Kronenverlichtung 2023
Fichte: 24,9% (-0,2%)
Tanne: 23,5% (-2,6%)
Kiefer: 31.4% (-1,6%)
Buche: 32,3% (+0,2%)
Eiche: 29,4% (-4,5%)
Esche: 42,6% (-0,7%)
Entwicklung des Waldzustands in Baden-Württemberg, nach Schadstufen (links) und nach Hauptbaumarten (rechts) von 1985 bis 2023 in Prozent aller Beobachtungen. (Zum Vergrößern auf die Grafiken klicken)
Neuere Werkzeuge der Waldzustandsbeschreibung und der waldbaulichen Planung sind die Vulnerabilitätskarten und die Karten der gegenwärtigen und zukünftigen Baumarten-Eignung.
Vulnerabilitätskarten
Die Vulnerabilitätskarten zeigen wie gefährdet die derzeit vorhanden Bestände zum jetzigen Zeitpunkt sind. Für die vier Hauptbaumarten Fichte, Buche, Traubeneiche und Weißtanne wird ein Gesamtwert auf Grundlage klimabedingter naturaler Risikofaktoren berechnet, wie z. B. Sturmwurfgefährdung oder Borkenkäferrisiko. Die Darstellung erfolgt in Brauntönen, je dunkler dieser ist, desto höher ist das Risiko für den Bestand.
Baumarten-Eignungskarten
Die Baumarten-Eignungskarten zeigen die Eignung der bei uns vorkommenden Hauptbaumarten Fichte, Buche, Traubeneiche und Weißtanne bei verändertem Klima für verschiedene Bezugszeitpunkte und Klimaszenarien. In Ampelfarben von grün (geeignet) bis rot (ungeeignet) erleichtert die Karte die Baumartenwahl, wenn durch Naturverjüngung oder Pflanzung eine neue Waldgeneration begründet werden soll. Der aktuelle Waldaufbau auf der Fläche ist dabei nicht berücksichtigt.
Geschichte der Waldschadensinventur
Ende der 1970er wurden - zunächst bei der Weißtanne - abnormale Nadelverluste festgestellt. Da sich diese so plötzlich einzustellen schienen, befürchtete man, dass die Weißtanne als Baumart aussterben könnte ("Tannen-Sterben"). Anfang der 1980er Jahre wurdenBesorgnis erregende Nadel- und Blattverluste auch an allen anderen Bäumen festgestellt. Das Szenario wurde zur apokalyptischen Vorstellung des "Waldsterbens" stilisiert.
Da die Schäden (bis zum Absterben ganzer Waldgebiete) am drastischsten in der Umgebung stark von Luftverschmutzung belasteter Industriezonen auftrat, suchte man zunächst in der Luftverschmutzung die Hauptursache. Die Diskussion führte zu politischen Schritten zur Luftreinhaltung, insbesondere zur Filterung und Reduktion von Schwefeldioxid und Stickoxiden, die man für die Bodenversauerung und damit indirekt für das "Waldsterben" verantwortlich machte ("Saurer Regen").
Als forstliche Umwelt-Monitoring-Maßnahme (Überwachung) wurde ab 1984 jährlich in Baden-Württemberg, bald darauf bundesweit, im Sommer eine "Waldschadensinventur" durchgeführt, deren Ergebnisse in einem Waldschadensbericht zusammengefasst wurden - später in Waldzustandsbericht umbenannt.
Dazu werden jährlich, teiweise in mehrjährigem Abstand, Untersuchungen durchgeführt. Dabei werden stets die selben Bäume in Raster-Stichproben (16x16, 8x8 und 4x4 km-Netz) begutachtet.
Was wird untersucht?
Das Forstliche Umweltmonitoring in Baden-Württemberg umfasst viele verschiedene Themen und Messgrößen, die mit unterschiedlicher Intensität auf den Messnetzen untersucht werden. Hierzu zählen sowohl baumbezogene wie auch standörtliche Parameter, die zwischenzeitlich so gut miteinander vernetzt sind, dass themenübergreifende Auswertungen möglich sind.
Untersuchungsschwerpunkte im Einzelnen sind: der Kronenzustand, die Phänologie, der Zuwachs und die Ernährungssituation der Bäume sowie der Bodenzustand und die Bodenvegetation, der Wasser-, Nähr- und Schadstoffhaushalt sowie der Witterungsverlauf.
Der Aufbau des Forstlichen Umweltmonitorings gliedert sich systematisch in zwei Ebenen:
Quelle: Auszüge aus dem Waldzustandsbericht 2016 (FVA BaWü)
Welche Maßnahmen wurden bisher ergriffen?
Als wichtigste und wirkungsvollste politische Gegenmaßnahme wurde Ende der 1990er Jahre eine konsequente Luftreinhaltepolitik betrieben (z.B. TA Luft).
Um der Versauerung der Böden Einhalt zu gebieten, wurden in Baden-Württemberg die am Stärksten betroffenen (versauerten) Waldstandorte mit dem Ziel der Stabilisierung der Böden einer Bodenschutzkalkung unterzogen.
Waldbaulich wurde im Rahmen der Naturnahen Waldwirtschaft das Ziel, stabile Mischbestände zu erziehen, verstärkt.
Exkurs: Waldkalkung
Die Bodenschutzkalkung im Wald ist ein Instrument zur Kompensation von externen Säureeinträgen, zur Regeneration von Bodenfunktionen und zum Erhalt bzw. zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit.
Waldböden besitzen eine natürliche Pufferkapazität gegenüber Säuren, die vom Ausgangsgestein und der historischen Entwicklung der Böden abhängt. Durch den Eintrag des „sauren Regens“
sind die pH-Werte sehr niedrig. Das bedeutet, dass für das Waldwachstum wichtige Nährstoffe wie Calcium, Magnesium und Kalium großteils bereits verloren gegangen sind, und das Bodenmilieu
sehr ungesund für Pflanzenwurzeln geworden ist. Auch viele Bodentiere und Pilze vertragen zu große Säurestärken nicht.
Die Böden sind nur über einen langen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten bis Jahrhunderten in der Lage, die verlorengegangenen Eigenschaften aus „eigener Kraft“, d.h. durch die
Verwitterungsvorgänge,wieder zu regenerieren, sodass die Standorte dauerhaft geschädigt bleiben bzw. dauerhaft in einen saureren Status übergegangen sind.
Seit 2010 zielt das in Baden-Württemberg durchgeführte Kalkungsprogramm auf eine langfristige Regeneration der natürlichen chemischen Ausstattung der Waldböden. Dieses auf den jeweiligen Waldstandort abgestimmte Kalkungskonzept zielt auf eine Wiederannäherung des Bodens an einen vor- bzw. frühindustriellen chemischen Zustand.
(Quelle: FVA BaWü (Waldzustandsbericht 2020)