Mikrokosmos Fischbachtal

Mit dem Förster im Wald: Auf den Spuren historischer Waldnutzungen

Bei der Wanderung mit Axel Kalmbach, dem Leiter des kommunalen Forstreviers Sulzbach an der Murr, durch das idyllische Fischbachtal standen die Spuren historischer Waldnutzungen im Mittelpunkt. Diese Wanderung wurde in Kooperation zwischen SDW Rems-Murr und dem Schwäbischen Albverein Sulzbach am Tag des Schwäbischen Waldes angeboten.

Förster Kalmbach: "Wir stehen hier in einem vom Menschen gemachten Wald."
Förster Kalmbach: "Wir stehen hier in einem vom Menschen gemachten Wald."

Ein idyllisches Tal mit bewaldeten Einhängen ist das Fischbachtal - und erfrischend kühl an dem doch recht warmen sonnigen Spätsommertag im September. Keiner der Genußwanderer käme wohl auf die Idee, dass dieser ursprünglich anmutende Wald jemals etwas anderes gewesen sein könnte als das was er heute ist - doch weit gefehlt.

Förster Axel Kalmbach zeigt den rund 50 Mitwanderern auf einer dreistündigen Rundtour eine ganz andere, heute fast unsichtbare Seite seines Reviers: "Bei uns in Deutschland gibt es heute praktisch überhaupt keine Urwälder mehr".  Dabei sieht er in erstaunte Gesichter: "Unsere Waldlandschaft wurde vollständig durch die Nutzung durch den Menschen geprägt".  So sei der Wald bereits im Mittelalter intensiv genutzt, ja ausgebeutet worden. Der Mensch brauchte landwirtschaftliche Fläche für die Erzeugung von Getreide und Gemüse sowie zur Viehhaltung; er nutzte den Wald als Baustoff für Häuser, Möbel und Gerätschaften und er verbrauchte sein Holz als praktisch einzige Energiequelle: zum Heizen der Häuser, aber auch zum Schmelzen von Glas oder Eisen. Noch heute deuten Ortsnamen wie Althütte oder Spiegelberg auf diese historische Industrie.

Sorgfältig hat er die Geschichte seines Reviers recherchiert und präsentiert der erstaunten Wandergruppe als Zeugnis Kopien alter Flurkarten, die eine ganz andere Wald-Feld-Verteilung zeigen als wir sie heute vorfinden.

Besonders extrem ist ein  aus dem Nordschwarzwald entliehenes Beispiel, das aber gut zeigt, wie es im 17. Jahrhundert wohl in ganz Europa ausgesehen haben mag: Neben landwirtschaftlichen Flächen und vielen kleinen Siedlungen baumlose Steppe oder spärlich mit Bäumen bewachsene Ebenen und Hänge, wo heute dichter "schwarzer (Nadel) Wald" wächst. "In Ermangelung anderer Ressourcen rechten die Menschen damals sogar die Humusschicht, das Laub und die Nadeln, aus dem Wald, um sie dem Vieh als Einstreu in den Stall zu streuen." Der "Mist" wurde dann auf Felder als Dünger auf dem Feld ausgebracht. "Dem Wald allerdings fehlte er, was vielerorts zu "toten Böden" und schlechtem Baumwuchs führte."

Blick aus dem ehemaligen gemauerten Felsenkeller der zum Steinbruch gehörigen Gastwirtschaft
Blick aus dem ehemaligen gemauerten Felsenkeller der zum Steinbruch gehörigen Gastwirtschaft

Szenenwechsel: Links neben dem Waldweg fällt das Gelände sehr schroff ab. "Dieser Abhang ist keineswegs natürlichen Ursprungs", weiß Axel Kalmbach. Hier wurde früher feinkörniger Schilfsandstein abgebaut, der nach seinen Quellen sogar für den Bau des Stuttgarter Rathauses verwendet wurde. Von den Nachbesitzern des Waldgrundstücks weiß er, wie schwierig es gewesen sein muss, auf dem blanken Fels wieder Wald anzupflanzen. Sogar der Humus wurde von anderswo herangeschafft. Heute allerdings ist kaum noch zu sehen, dass hier einmal ein veritables Bergbau-Unternehmen zu gange war. Dass es oberhalb sogar eine eigene Gastwirtschaft deswegen gab, zeugt davon, dass nicht nur ein paar wenige Felsbrocken abgebaut wurden.

Holzkohle - Zeugnis eines ehemaligen Kohlenmeilers im Wald
Holzkohle - Zeugnis eines ehemaligen Kohlenmeilers im Wald

Praktisch auf Schritt und Tritt öffnet der Revierförster seinen Begleiter/inn/en die Augen, welche Geschichte und Geschichten sich allerorts mitten im heute so stillen Wald abgespielt haben.

Oberhalb eines kleinen Seitenbachs zum Beispiel ist ein kleiner Wall zu sehen, der kaum jemandem beim Durchstreifen des Waldes aufgefallen wäre. "Dies ist der Überrest des Damms eines kleinen Stauweihers", weiß Kalmbach, "mit dessen Hilfe früher Kurzholz talabwärts geflößt wurde". Denn der Wald war damals nicht annähernd so intensiv mit Wegen erschlossen, wie wir ihn heute vorfinden. So konnten die Menschen damals Brennholz bachabwärts transportieren, das später mitunter sogar in den königlichen Schlössern von Stuttgart und Ludwigsburg für Wärme sorgte.

Überhaupt war der Transport damals ein zentrales Problem. Ein anderer Weg zu dessen Lösung war die Verkohlung des Holzes in vielen kleinen Kohlenmeilern. Durch die Verkohlung behielt das Holz zwar seinen Brennwert, verlor aber massiv an Gewicht und war dadurch wesentlich leichter mit Pferden und Karren zu transportieren. Der Revierförster stochert kurz auf einer unscheinbaren Verebnung und zeigt den Beweis: Ein gut erhaltenes Stückchen Holzkohle.

 

Bei dieser Fülle an Aha-Erlebnissen vergeht die Wanderzeit wie im Flug und mancher hätte gerne auch noch den Nachmittag lang Axel Kalmbach gelauscht und ihm noch ein paar mehr Geheimnisse seines Waldes entlockt. 
Keine/r der Teilnehmer/innen jedoch wird beim nächsten Waldspaziergang vergessen, welch reges Treiben sich in vergangenen Jahrhunderten im heute so stillen Fischbachtal zugetragen hatte.

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