Von der Revolutionierung der Waldarbeit

SDW-Betriebsbesichtigung bei der Fa. STIHL in Waiblingen

Am 13. März 2015 war der SDW-Kreisverband Rems-Murr zu einer Werksbesichtigung beim Weltmarktführer von motorgetriebenen Arbeitsgeräten STIHL zu Gast. Von den aufeinander abgestimmten Produktionsschritten bis zur Präsentation der technischen Neuheiten entging den knapp 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer wirklich nichts.


Ein Bus voll erwartungsvoller und teils weit gereister Besucher tauchte nach dem Passieren der Werkstore bei einer Multimedia-Präsentation ein in die Welt der Firma STIHL.

Unternehmenspräsentation

Aus STIHL-Geschäftsbericht 2013: Nähe schafft Innovation
Auszug aus STIHL-Geschäftsbericht 2013: Nähe schafft Innovation

Die STIHL-Gruppe entwickelt, fertigt und vertreibt motorbetriebene Geräte für die Forst- und Landwirtschaft sowie für die Landschaftspflege, die Bauwirtschaft und den anspruchsvollen Privatanwender. Die STIHL Holding AG & Co. KG ist zu 100% im Eigentum der Familie Stihl. Sie beschäftigt in der Produktion weltweit 14.000 Mitarbeiter , in Europa, Amerika, Asien und Afrika, davon 4.000 Mitarbeiter in Deutschland und 3000 im Stammwerk in Waiblingen. Das Unternehmen erwirtschaftete 2013 insgesamt 2,8 Milliarden Euro Umsatz. Innovative Ideen, modernste Technik und herausragende Fertigungsqualität werden  - "Made in Germany" - rund um den Globus nachgefragt. Wohl werden Einzelteile auch in Werken im Ausland produziert. Die Produktion in China erfolgt aber hauptsächlich für den chinesischen Markt selbst. Dass STIHL trotz seiner Eigenschaft als Global Player in seiner Firmenphilosophie ein bodenständiger, mittelständischer Betrieb geblieben ist, davon zeugt die Tatsache, dass die meisten der Zulieferer für das Hauptprodukt, die Motorsäge, aus der Region Stuttgart stammen; darunter namhafte Firmen wie Mahle in Stuttgart oder Kolbenschmidt in Neckarsulm.

Im Vertrieb ist STIHL ist weltweit auf 5 Kontinenten und 160 Ländern vertrete, wobei es zur Firmenphilosophie gehört, dass die Produkte grundsätzlich über den servicegebenden Fachhandel vertrieben werden – mit 34 eigenen Vertriebs- und Marketinggesellschaften, rund 120 Importeuren und mehr als 40.000 Fachhändlern in über 160 Ländern. Der Exportanteil bei den Motorsägen liegt bei 90%.

Unternehmensgeschichte und -entwicklung

oben: Benzin-Motorsäge Typ BD  (Erste STIHL Motorsäge mit Schwimmervergaser und Schwenkgetriebe, ab 1934)
oben: Benzin-Motorsäge Typ BD (Erste STIHL Motorsäge mit Schwimmervergaser und Schwenkgetriebe, ab 1934)

Im Firmen-eigenen Museum konnten über 80 Jahre Entwicklungsgeschichte der Motorsäge nachempfunden werden:

 

Gegründet wurde das Unternehmen 1926 von Andreas Stihl. Als studierter Maschinenbau-Ingenieur trieb ihn früh die Frage um, wie die damals noch in schwerster Handarbeit vollzogene Waldarbeit, mechanisiert werden könnte. Wohl gab es damals bereits einige heute kuriose anmutende erste Ansätze einer Mechanisierung. So entwickelte er bereits 1927 eine Abläng-Kettensäge mit Elektromotor, mit denen Baumstämme quer geteilt werden konnten. 1929 folgen dann Benzinmotor-getriebene Baumfäll-Maschinen. Die erste, 46 kg schwere Maschine mit stolzen 6 Pferdestärken hatte aber den Nachteil, dass der Vergaser in gekippter Sägenstellung nicht funktionierte, ein Makel, der später durch den Schwenkvergaser und Schwenkgetriebe beseitigt werden konnte. Zunächst als Maschinen für die Zwei-Mann-Arbeit konzipiert, kam bereits 1930 die erste Ein-Mann-Motorsäge heraus. Von da an nahm die Erfolgsgeschichte ihren Lauf.

Die legendäre Einmann-Benzin-Motorsäge "STIHL Contra" (1959 - 1968)
Die legendäre Einmann-Benzin-Motorsäge "STIHL Contra" (1959 - 1968)

Einige Meilensteine waren die patentierte Sägekette 1932, die vollautomatische Kettenschmierung 1934, nach dem II. Weltkrieg die erste Ein-Mann-Motorsäge zum Fällen, 1954 die erste Leicht-Säge und schließlich 1959 die als legendär bekannte "STIHL-Contra", Exportschlager und Auslöser einer weltweiten Motorisierung der Waldarbeit. Anti-Vibrationssysteme, elektronische Zündanlagen, Gashebelsperre, Griffheizung, moderne Kettenspann-Vorrichtungen und die Einführung des Biokettenöls waren einige weitere Meilenstein auf dem Entwicklungsweg bis heute. War anfangs die Motorsäge der Entwicklungsschwerpunkt, so diversifizierte die Firma STIHL ihr Angebot mehr und mehr auf alle möglichen motorgetriebenen und von Hand geführten Maschinen. Dass auch landwirtschaftliche Schlepper und Haushaltswaschmaschinen zu den Produkten des schwäbischen Unternehmens gehörten, war den meisten Besuchern gänzlich unbekannt.Die Entwicklung der Unternehmensstruktur durch die Integration anderer Firmen, etwa der VIKING GmbH, oder die Ausdehnung der Produktion und des Vertriebs weltweit, wäre eine eigene Betrachtung wert.Erwähnenswert ist unbedingt, dass das Untenehmen intern gleichzeitig auch an seiner Unternehmenskultur arbeitete. So sieht STIHL Kontinuität im Denken und Handeln als Grundlage seiner nachhaltigen Unternehmensentwicklung, stellt sich andereseits auch dezidiert seiner Verantwortung gegenüber Mitarbeitern und Gesellschaft.

Produktionsprozess

Wie die Produktion der Firma organisiert ist, die bereits seit 1971 die meistverkaufte Motorsägenmarke weltweit ist, erfuhren die Teilnehmer im STIHL-Werk 2 durch die beiden erfahrenen Fachleute Stefan Balasa und Herbert Pichler:

Überrascht war mancher von den computergesteuerten, vollautomatischen Zuliefer-Flurzeugen, die die benötigten Fertigungsteile wie von Geisterhand zu den insgesamt 11 Fließband-Systemen vorliefern. Die Bestückung der einzelnen Produktionsschritte erfolgt von Hand; die Produktion selbst durch Mitarbeitergruppen, teilweise aber auch vollautomatisch, etwa das Lackieren des Kettenschwerts. Da die Fertigungsbänder nicht auf ein bestimmtes Produkt zugeschnitten sind, können diese, je nach Auftragslage flexibel bestückt werden. Bemerkenswert ist, dass die Produktionsmaschinen im Motorsägenbereich bei STIHL selbst entwickelt und selbst produziert werden. Das hat den unschätzbaren Vorteil, dass bei Störungen das Know-how vor Ort ist und defekte Maschinen in kürzester Zeit durch Reserveanlagen "aus dem Keller" ersetzt werden können.

Moderne STIHL-Einmann-Motorsäge (zu Demonstrationszwecken aufgeschnitten)
Moderne STIHL-Einmann-Motorsäge (zu Demonstrationszwecken aufgeschnitten)

Am Beispiel der Motorsäge konnten die SDW-Teilnehmer den Fertigungsprozess mit eigenen Augen anschaulich nachvollziehen: In das Motorengehäuse aus einer leichten Magnesium-Legierung, das permanenten Vibrationstests unterzogen und so stets weiterentwickelt wird, wird die geschmiedete Kurbelwelle in Kugellager eingepasst, indem das Gehäuse erwärmt wird, sich ausdehnt und so die Kurbelwelle perfekt mit einer Passgenauigkeit von nur fünf Mikrometer (1 Mikrometer = 1 Tausendstel Millimeter) eingepasst werden kann. Dann wird der Schalldämpfer und der elektronische Vergaser angebaut und das speziell entwickelte Lüfterrad mit einer Leistung von 250 Kubikmetern Luft pro Stunde (bei mittlerer Drehzahl) montiert. Dieses verhindert, dass der Motor überhitzt und in Folge dessen beschädigt wird. Das Lüfterrad produziert gleichzeitig über Magnetstreifen die Spannung für den Zündfunken. Eingepasst wird diese Antriebstechnik in ein Gehäuse aus zwei Spritzgußteilen, die durch die Methode des "Reibungsschweißens (Materialteile werden durch hochfrequentes "Reiben" aneinander verschweißt) verbunden werden. Stärker belastete Teile größerer Motorsägen werden aus glasfaserverstärktem Polyamid hergestellt. Jede einzelne der so montierten Motorsägen wird dann in einem Prüfautomaten "auf Herz und Nieren", speziell auf Drehmoment, Leistung und Abgaskennwerte hin geprüft, bevor sie, säuberlich verpackt, ihre Reise in alle Welt antreten.

Auch die Fertigung der Sägeschienen, auch Schwerter genannt, auf denen schließlich die Sägekette gefürt wird, ist eine Wissenschaft für sich. Sind lange, stark belastete Schwerter aufgrund ihres Vibrationsverhaltens massiv - mit Lasertechnik der Firma Trumpf aus dem nahen Ditzingen - aus Spezialstahl geschnitten ("Duromatic"), kann bei kleineren und leichteren Sägen die Rollomatic aus zwei miteinander vernieteten Schwerthälften mit einer materialschonenden Umlenkrolle an der Spitze zum Einsatz kommen.


Produktvielfalt heute

Bertil Stapel beim Präzisionseinsatz mit einer extra schmalen Sägekette
Bertil Stapel beim Präzisionseinsatz mit einer extra schmalen Sägekette

Zum Abschluss der Werksbesichtigung präsentierte STIHL-Mitarbeiter Bertil Stapel die aktuellsten STIHL-Produkte:

Ein wichtiger Entwicklungs- und Neuerungsschwerpunkt sind elektrisch mit Akkus betriebene Motorgeräte. Dabei kann der Akku bei allen Geräten eingesetzt werden und braucht nicht für jedes Gerät separat erworben zu werden. Für professionellen Einsatz ist ein "Rucksack-Akku" erhältlich, der die Einsatzdauer beträchtlich verlängert. Besonders geeignet sind diese Akku-Geräte überall dort, wo Lärm-Emission besonders störend ist, also beispielsweise bei Arbeiten im innerstädtischen Bereich.

Als weitere Akku-Geräte wurden Laubsauger, Astsägen und pneumatische Astscheren vorgestellt. Vorwiegend dem professionellen Einsatz vorbehalten bleiben Betonflex-Maschinen oder eine Motorsäge mit Spezialschiene und Sägekette für den Einsatz beim Sägen schwieriger Betonteile wie etwa Beton-Rohre.

 

Dass der Fokus der Firma Stihl nicht lediglich auf die Maschinen, sondern zum Beispiel auch auf Ergonomie und Arbeitssicherheit liegt, wurde am Beispiel einer Schnittschutzhose demonstriert, die den darunterliegenden Baumstamm trotz "scharfen Einsatzes" der Motorsäge gänzlich "unverletzt" ließ.

 

Am späten Nachmittag verließ die SDW-Besichtigungsgruppe die Firma STIHL, guter Stimmung und tief beeindruckt vom Stand der Forschung und Entwicklung bei STIHL, dem  "Waiblinger mittelständischen Global Player."