Gleich mit zwei Höhepunkten konnte die Mitgliederversammlung der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald - Kreisverband Rems-Murr aufwarten: Der Verein setzt sich seit nunmehr einem Vierteljahrhundert für Wald und Umweltbildung ein. Auch waren es 25 Gründungsmitglieder an der Zahl, die nun für ihre Treue mit einer Urkunde und dem Baum des Jahres, dem Feldahorn, ausgezeichnet und bedankt wurden.
Der Naturfotograf Roland Günter setzte im Anschluss an die Mitgliederversammlung noch eins drauf und begeisterte mit seinem Vortrag "Frieda und Fridolin - vom schönen Leben auf der Blumenwiese" das Publikum mit seiner brillanten Makro-Fotografie - Fotos, die so wohl kaum jemand je zuvor gesehen hatte.
Lustig scheint das Leben auf der Blumenwiese, hört man dem kurzweilig präsentierten Vortrag von Roland Günter zu: Da kommen zwei Magerwiesen-Margeriten-Bohrfliegen, wissenschaftlich auch
Tephritis
neesii genannt, des Wegs und freuen sich so recht ihres Lebens. Lustig ist es, in gestochen scharfer Makro-Fotografie, den beiden bei Ihrem Kennenlernen und Liebeswerben zuzusehen:
Einen richtige Fliegentanz führt Fridolin auf. Immer ein Flügelchen hoch, runter, hoch, runter und Winkewinke. Es verblüfft schon, dass das beim Weibchen Frieda tatsächlich wirkt , sodass dem
Fliegen-Familienglück gar nichts mehr im Weg steht, als Fridolin sich auch noch als bester Winker inmitten der Konkurrenz entpuppt. Ach ja, ihr gemeinsames Zuhause für die Eiablage ist eine
wunderschöne Margeritenblüte. Der Zuschauer genießt die Idylle und glaubt fast, Natur sei einfach nur schön und gut.
Dem ist auch nur so lange so, bis die Magerwiesen-Mageriten-Bohrfliegen-Brackwespe, einem Parasiten der Eier von Frieda & Fridolin, nebst weiblicher Begleitung, des Weges kommt. Das Weibchen hat sich nämlich auf die Larven von Frieda spezialisiert. Mit Hilfe ihrer Fühler und eines Legebohrers, der den von Frieda an Länge deutlich übertrifft und an dessen Ende sich offenbar ein Sinnesorgan befindet, spürt die Brackwespe die Bohrfliegenlarven im Blütenboden – durch alle voll erblühten Blüten hindurch – auf und legt ihr Ei hinein; das bedeutet ein jähes Ende von Frieda und Fridolin junior.
Und so zieht es den Zuschauer magisch wie eine fantastische Geschichte in die ökologischen Verwicklungen einer Wildblumenwiese hinein. Und wir sind ja erst bei einer einzigen Margeritenblüte, auf der übrigens die Brackwespe nicht nur Täterin, sondern bald darauf ihrerseits wieder zum Opfer wird. So ist Natur!
Anderthalb spannende und unterhaltsame Stunden später erfährt der Zuschauer von Roland Günter, dass sich ähnlich komplizierte Nahrungsketten und Kreisläufe auch auf anderen Pflanzen abspielen, mit ganz anderen Protagonisten. Und so wird plötzlich klar, wie komplex und vielfältig eine Blumenwiese ist. Ein Aha-Erlebnis der besonderen Art. "Und wenn nun der Bauer die Wiese zu früh mäht? " Dann ist an diesem Ort der biologische Kreislauf unterbrochen und die Fortpflanzung für viele - zugegebenermaßen für uns Menschen unscheinbare, ja völlig unbekannte - Tiere unmöglich geworden. Der Vortrag von Roland Günter gab eine ganze Menge zu denken - der Abend wirkt lange nach.
"Vereinsziele und deren Umsetzung müssen schon überzeugend sein, wenn sich Menschen über ein Vierteljahrhundert dafür einsetzen und die Treue halten," sagte Kreisverbandsvorsitzender Dr. Gerhard Strobel bei seinem bebilderten Rückblick auf die Vereinsgeschichte. Als regionale Unterglieder und des bundes- und landesweit aktiven Naturschutzverbands hatte sich der SDW-Kreisverband Rems-Murr 1990 auf Initiative des damaligen Stuttgarter Forstpräsidenten Konrad Bauer und des SDW-Landesvorsitzenden Landwirtschaftsstaatssekretär Ventur Schöttle gegründet. Verbandszweck war und ist bis heute "regional für den Schutz und die Erhaltung eines gesunden und leistungsfähigen Waldes sowie einer vielgestaltigen Landschaft einzutreten und die Beziehungen der Menschen zu Wald und Umwelt zu fördern und zu stärken." Zum Gründungsvorsitzenden wurde der damalige Murrhardter Bürgermeister und spätere SDW-Landesvorsitzende Ulrich Burr gewählt. Ihm gelang es, rasch viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter von den wichtigen Zielen der SDW zu überzeugen. "Und so bin ich heute in der glücklichen Lage", so Dr. Strobel, "nach 25 Jahren 25 Gründungsmitglieder zu ehren." Einige davon ließen sich sogar von Anbeginn an als Vorstandsmitglieder in die Pflicht nehmen. Als symbolisches Dankeschön bekamen denn auch alle anwesenden Jubilare, darunter auch 9 Städte und Gemeinden im Kreis, eine Urkunde und den Baum des Jahres 2015, einen Feldahorn, überreicht, "der bei guter Pflege noch sehr viel älter als wir alle hier werden kann - Sinnbild für Zukunft und die Nachhaltigkeit, die vor über 300 Jahren von Forstleuten "entdeckt" wurde und heute in aller Munde ist." so der Kreisvorsitzende.
Seit einigen Jahren ist es im Kreisverband Rems-Murr üblich, den Rückblick in eine bunte Bilderschau zu tun. So stellte Dr. Strobel den Vereinsmitgliedern und Waldfreunden in "Wort und Bild" die 25 Veranstaltungen, 7 Projekte und vier buchbaren Angebote des zurückliegenden Jahres vor.
Diese reichten von den zu jeder Jahreszeit ein Mal veranstalteten "NaTour"- Waldspaziergängen über Baumpflanzungen mit Tausschule Backnang und dem Kindergarten Liebigstraße Weissach, über Besichtigungen - etwa des Wertholzlagerplatzes in Urbach oder des Weltmarktführers STIHL in Waiblingen - bis hin zu themenorientierten Waldspaziergängen für Singles oder zum Thema des Jahres 2015, dem Boden.
Für größer Schülergruppen wurden wieder die Stadtfüchse und das WildnisCamp im Eins+Alles Laufenmühle organisiert. Flaggschiffe der SDW Rems-Murr sind die Projekte mit den Schulen wie das Wald-und Wildnisprojekt, das 2016 an sechs Schulen im Kreis durchgeführt werden soll oder die Naturparkschule in Kooperation mit dem Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald. Besonders beliebt und sinnvoll ist die bereits im 8. Jahr koordinierte SDW-Kastanienlaub-Sammelaktion zur Rettung der Roßkastanie.
Neben dem traditionellen WeihnachtPresseTermin wurde die Presse auch unterm Jahr in Gesprächen oder bei Waldbegängen über aktuelle Themen informiert. Ein jährlicher Flyer informiert im Voraus über das Jahresprogramm und tagesaktuell sind alle Veranstaltungen und Themen im Internet unter www.SDW-Rems-Murr.de abrufbar.
Für das nächste Jahr sollen alle erfolgreichen Veranstaltungen und Projekt weiter geführt werden. Dazu kommen noch einige neue Projekte wie etwa "Spurenlesen", "Fotowerkstatt Wald" oder eine Besichtigung des weithin größten Sägewerks Klenk in Oberrot.
Angesichts der erfahrenen und umsichtigen Kassenführung des Schatzmeisters Horst Baßmann, selbst Gründungsmitglied des SDW-Kreisverbands Rems-Murr, und der zuverlässigen Prüfung durch die Kassenprüfer Siegfried Häfele und Kurt Eisenmann (2015 vertreten durch Werner Stingel) waren die Vereinsregularien, Kassenbericht und Kassenprüfungsbericht, rasch abgehandelt und der Vorstand durfte nach einstimmiger Entlastung mit dem Vertrauen seiner Mitglieder in das neue Vereinsjahr starten.