Die Biber kommen

Bibergeil, die SDW-Jahreshauptversammlung 2016

Erstaunlicher Vortrag über Meister Bockert - Ehrungen und Dank für 10 Jahre "Walderlebnistage" an ein engagiertes Trio - 10 Jubilare

"Bibergeil  ist sogar im Vanilleeis!" Der Referent wusste zu verblüffen. Rainer Allgöwer hielt den Festvortrag anlässlich der Jahreshauptversammlung der SDW Rems-Murr. Anderthalb kurzweilige Stunden unterhielt der Bibermanager des Regierungsbezirks Stuttgart mit immer neuen Aha-Erlebnissen zu Meister Bockert, dem Biber.

 

Was ist "Bibergeil" eigentlich? 

Es handelt sich dabei um ein fetthaltiges Drüsensekret des Bibers, das  dieser in erster Linie zur Fellpflege und zum Markieren seiner Reviergrenzen nutzt. Bei Apothekern stand dieses Drüsenfett einst hoch im Kurs, bevor der Biber bei uns Mitte des 19. Jahrhunderts vollständig ausgerottet wurde. Denn es ist nichts anderes als natürlich vorkommende Salicylsäure, chemisch dem Aspirin eng verwandt . Bibergeil wurde gegen Schmerzen, Schwindsucht und als blutverdünnendes Mittel eingesetzt. "Der Biber stirbt also ganz sicher nicht an einem Herzinfarkt," so der Referent schmunzelnd. Heute wird es sogar als Aromastoff in Lebensmitteln verwendet.

 

Wie kann der Biber diesen Stoff produzieren? 

Die wiederum verblüffend einfache Antwort: Er frißt sie mit seiner Nahrung. Salicylinsäure ist nämlich in Weidenrinde, seine Hauptnahrung, in Vogelbeere und den Krautpflanzen Mädesüß und Blutweiderich enthalten. Der Biber kann diese Säure aus seinem Blut filtern und durch die Drüse ausscheiden.

Warum wurde der Biber bei uns ausgerottet?

Etwa weil sein Fell so hochwertig war. Mit bis zu 23.000 Haaren pro Quadratzentimenter ist sein Fell unglaublich dicht und warm. Der Mensch hat gerade mal höchstens 300 Haare auf der selben Fläche. Begehrt war aber auch sein Fleisch; wegen der schuppenartigen Oberfläche seines platten Schwanzes wegen wurde er von der katholischen Kirche kurzerhand zum Fisch erklärt - und wurde so zu einer auch am Freitag erlaubten Speise.

 

Durch seine Eigenart,  sich einen Damm zu bauen, um sich im so aufgestauten Wasser eine Biberburg mit sicherem Unterwasser-Eingang bauen zu können, schuf er sich nicht gerade Freunde. Denn dadurch konkurriert er mit dem Menschen um landwirtschaftliche Nutzfläche, die die Bauern entlang von Bächen und Flüssen lieber drainiert als  überschwemmt sehen. "Dabei", so Rainer Allgöwer, "ist diese Eigenart, Dämme und Burgen zu bauen, eine Verhaltensanpassung an die jahrhundertelange Jagd.  Der Biber in Frankreich baut sich in Hochgestaden einen ganz anderen Unterschlupf."

Der Biber, der bis 1976 noch dem Jagdrecht unterstand, genießt heute strengen Naturschutz - einem Biber nachzustellen, ihn zu töten oder einen Biberdamm zu entfernen, sind strafbare Handlungen.

Ab 1950 wurde das Wassertier in der Schweiz wiederangesiedelt, in den 1970er Jahren auch im Elsaß und im Taubergießen am Oberrhein . Sogar in England und Schottland tat man das, obwohl es dort nie natürliche Bibervorkommen gegeben hat. Und so ist der Biber heute in ganz Europa etabliert. In Regierungsbezirk Stuttgart hat sich der Biberbestand seit 2000 auf über 800 Tiere mehr als verachtfacht, in Baden-Württemberg leben momentan annähernd 3.000 Biber.

Der Biber lebt streng territorial in Familiengruppen. Da ein Biber-Revier im Durchschnitt 2,7 Flusskilometer lang ist, kann man daraus anhand der Gewässerlängen von rund 200 Kilometern ausrechnen, dass im Rems-Murr-Kreis potenziell Raum für 74 Biberreviere, also etwa 330 Tiere wäre.   "In Remseck und in Murrhardt wurden vor kurzem Biber überfahren. Daraus kann man schließen, dass im Rems-Murr-Kreis der Biber unmittelbar vor der Einwanderung steht." so Rainer Allgöwer. "Die wandernden Jungbiber suchen sich bereits geeignete Plätze".

Wo kommt es zu Konflikten zwischen Mensch und Biber? 

In naturnahen Gewässerabschnitten ist dieser Konflikt gering, Dort wo Bäche und Flüsse im natürlichen Bett mäandrieren können, ist Biber-Biotop. Das Hauptproblem ist eingentlich Mensch-gemacht. Der nämlich hat die Flüsse auf weite Strecken begradigt, um dadurch landwirtschaftliche Flächen oder Flächen für Wohn- und Gewerbesiedlungen zu gewinnen. Rund 40% der Gewässer im Rems-Murr-Kreis sind naturnah, 22% beeinträchtigt und 38% naturfern. Vor allem dort versucht der Biber, sein Habitat, also seinen natürlichen Lebensraum, dadurch "wiederherzustellen", dass er Gräben und Bäche durch Dämme aufstaut, um dort seine Biberburg bauen zu können.

Der Biberdamm ist dabei nicht allein Schutz, sondern auch Nahrungsgrundlage im Winter, denn der Biber frißt Holz, das er als eines der wenigen Lebewesen verdauen kann - am liebsten Weichhölzer wie Weide oder Pappel, zur Not aber auch andere Baumarten.  Seiner Eigenart, die Weide so zurückzufressen, dass sie immer wieder austreibt, verdankt der Ausdruck "abweiden" seinen Ursprung. Der Biber frißt jedes Jahr rund drei Kubikmeter Holz und Rinde, etwa soviel wie ein Haushalt mit Holzheizung pro Person verbraucht. Stehen Maisfelder direkt am Gewässerrand, verschmäht er auch diesen Leckerbissen nicht. Er "lässt aber nicht die Sau raus" wie das Wildschwein, die einen Maisacker mitunter regelrecht umpflügen, sondern er frißt nur schmale Gänge. Dabei entfernt er sich selten weiter als zehn Meter vom Gewässer, also die Entfernung,  die nach §29 Wasserhaushaltsgesetz als Gewässerrandstreifen definiert ist.

Problematisch kann es werden, wenn der Biber Hochwasserdämme und ähnliche Bauwerke durchgräbt und dadurch destabilisiert.

Wie können die widerstrebenden Ansprüche aber in Einklang gebracht werden? 

Zu diesem Zweck wurde in Baden-Württemberg pro Regierungsbezirk ein Bibermanager eingeführt, unterstützt von ehrenamtlichen Biberberatern auf Kreisebene. Es gibt eine ganze Palette an Instrumentarien des Bibermanagements, angefangen vom rostfreien Faschinendraht an Hochwasserdämmen über Schutzmaßnahmen an Bäumen bis hin zu kontrollierten Damm-Drainagen, um die Stauwirkung des Biberdammes im Einzelfall abzumildern. Bibermanager Rainer Allgöwer ermutigt deshalb alle, die nicht wissen, wie Sie diesem Rückeinwanderer begegnen sollen, seine Beratung in Anspruch zu nehmen.

Und dennoch: "Wir schaffen im Naturschutz mit viel Geld nicht, was der Biber mit wenig Aufwand leistet," gibt Rainer Allgöwer zu bedenken. Sein Wirken schafft wertvolle Biotope. Mit Biber finden wir bei Amphibien und in Gewässernähe lebenden Insekten stabilere und weitaus vielfältigere Populationen. Auch für Fische sind Biberreviere ein reines Eldorado. Sowohl Stillwasserarten als auch Fließwasserfische finden im Biberland ihr geeignetes Biotop. Die Trinkwasserqualität wird 10fach besser. Und Biberdämme sind natürliche Hochwasserrückhaltebecken, die den Wasserabfluß verlangsamen.

 

 

Hätten Sie gewusst ...  ?

 

... woher die braunen Nagezähne des Bibers rühren?

Das sind Eisen-Einlagerungen, die die Vorderseite der Zähne hart machen. Die Hinterseite der Zähne hingegen ist weicher und nutzt sich rascher ab, wodurch sich der Zahn beim Nagen automatisch ständig nachschärft.

 

... dass Biber rund 2 Mio. Euro pro Gewässerkilometer an Ausgaben für Gewässer-Renaturierung einsparen.

.. dass Biber das Treibhausgas Kohlendioxid fixieren ?

Durch die Biberbauten wird viel Holz "unter Wasser gelagert", wo es 10 Mal langsamer als unter Lufteinfluss verrottet. Das CO2 gelangt so erst sehr verzögert in die Atmosphäre.

... dass in Kanada festgestellt wurde, dass in Gebieten mit Bibern die CO2-Emissionen um 30% geringer sind als in Biber-freien Regionen.
Kanada investiert deshalb sogar in künstliche Biberdämme, die pro Stück 60-100.000 Dollar kosten.

 


Jahreshauptversammlung

Eingeführt durch ein Grußwort des SDW-Landesvorsitzenden Karl-Wilhelm Röhm MdL präsentierte  der Kreisvorsitzende  Dr.  Gerhard Strobel in "Wort und Bild"  den Vereinsmitgliedern und Waldfreunden Veranstaltungen, Projekte und Maßnahmen der Öffentlichkeits- und Pressearbeit  des zurückliegenden Jahres.

 

Renner waren die vier sonntagmorgendlichen "NaTour"- Waldspaziergängen am Ebnisee und im Welzheimer Tannwald und die themen-orientierten Waldspaziergänge für Singles.  Sofort ausgebucht waren zwei neu ins Programm aufgenommene Kurse "Waldfotografie", die sich an ein neues Zielpublikum der Hobbyfotografen richteten.

Baumpflanzungen mit Tausschule Backnang und dem Kindergarten Urbach zählen zu den alljährlichen  Traditionsveranstaltungen.

In Kooperation mit der Volkshochschule Murrhardt wurde ein exzellenter Vortrag des Naturfotografen Roland Günter zum Leben am Ackerrand organisiert.  Für Kinder bis 14 Jahren wurden zwei Ferienprogramme, "Wildnisferien", in Zusammenarbeit mit Naturparkführer Frank Schulz und WildnisCamp im Eins+Alles Erfahrungsfeld der Sinne angeboten. Bei den regionalen Veranstaltungen "Naturschutztag" und "Ebnisee für alle" präsentierten Astrid und Rüdiger Szelest mit dem Waldmobil die SDW vor Ort.

Als geführte Besichtigungen wurden der Wertholzlagerplatz Eselshalde bei Urbach  und das Großsägewerk KLENK in Oberrot angeboten.

Flaggschiffe der SDW Rems-Murr sind die Projekte mit den Schulen wie das Wald-und Wildnisprojekt, das 2016 an sechs Schulen im Kreis durchgeführt werden soll oder die Naturparkschule in Kooperation mit dem Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald und dem Schulamt Backnang. Besonders beliebt und sinnvoll ist die bereits im 8. Jahr koordinierte SDW-Kastanienlaub-Sammelaktion zur Rettung der Roßkastanie.

Neben dem traditionellen WeihnachtPresseTermin wurde die Presse auch unterm Jahr in Gesprächen oder bei Waldbegängen über aktuelle Themen informiert. Ein jährlicher Flyer informiert im Voraus über das Jahresprogramm und tagesaktuell sind alle Veranstaltungen und Themen im Internet unter www.SDW-Rems-Murr.de abrufbar.

Ein Höhepunkt in diesem Vereinsjahr war die Exkursion des SDW-Bundesverbands in den Schwäbischen Wald, organisiert durch den Stellv. Kreisvorsitzenden Helm-Eckart Hink. An drei Tagen wurden viele Facetten des Naturparks vorgestellt, angefangen von der naturnahen Waldbewirtschaftung, über einen Abstecher in der Burgfalknerei Hohenbeilstein, über den Walderlebnispfad WEITERWEG bei Rotenhar bis zu den Römern und Mühlen im Schwäbischen Wald.

 

Bei den Vereinsregularien trug Kassenprüfer Siegfried Häfele in Vertretung von Schatzmeister Horst Baßmann den Kassenbericht trug vor.  Kassenprüfer Kurt Eisenmann verlas den Kassenprüfungsbericht und beantragte die Entlastung des Vorstands, die einstimmig gewährt wurde.

Geehrt wurden 10 Mitglieder für Jubiläen ihrer Vereinsmitgliedschaft mit einer Urkunde und einem Glas echtem Schwäbischen-Wald-Honig. Helm-Eckart Hink, Walter Schmitt und Eckart Kittel wurden für Ihr 10 Jahre währendes großes Engagement bei Konzeption und Durchführung der jährlichen Backnanger Walderlebnistage mit Grundschulen mit Holz-Säge-Skulpturen gedankt.

Infos

Download
Jahresrückblick 2016/2016 des Vorsitzenden in Bildern
02-MV 2016_PP-Präsentation.pdf
Adobe Acrobat Dokument 12.1 MB
Download
10 Jahre Walderlebnistage
2016_10 Jahre Walderlebnistage - Zusamme
Adobe Acrobat Dokument 1.1 MB