Waldgefährdungen

In einem vom Menschen unbeeinflussten Wald-Ökosystem steht die Vegetation und der Wildbestand in einem dynamischen Gleichgewicht. In der Nahrungskette kontrollieren die Beutegreifer (Bär, Wolf, Luchs, Fuchs, Wildkatze) die Wildpopulation. Kann sich die Beutegreifer-Population so stark entwickeln, dass sie die Beutetiere dezimiert, fehlt ihr die Nahrungsgrundlage und sie nimmt wieder ab, während die Beutetiere sich ihrerseit zahlenmäßig wieder entwickeln - der Kreislauf der Natur.

Im Menschen-beeinflussten Ökosystem Mitteleuropas fehlen diese Beutegreifer weitgehend. Daher kann es zu Überpopulationen von Schalenwild, bei uns im Wesentlichen dem Rehwild, dem Schwarzwild und gebietsweise dem Rotwild, Damwild oder Gamswild, kommen.

Der Mensch hat über die Jagd die Aufgabe der Wildbestands-Regulierung übernommen. Sie ist aber nur ein Mosaikstein der Zukunftsvorsorge. Für sind standortgerechte gemischte, naturnahe und damit stabile Wälder mit hohem Biotop-Wert für die heimischen Tierarten wichtig. Ein vielfältiger Lebensraum mit gutem Nahrungs- und Schutzangebot ist ein wichtiger Garant für einen gesunden Wildbestand und Vermeidung von Wildschäden - das Gleichgewicht von Wild und Wald.

Verbissschäden

Durch Rehwild verbissene Tanne
Durch Rehwild verbissene Tanne

Als Verbiss bezeichnet man das Abäsen von Keimlingen, Knospen, Blättern und Trieben. Hasen können Waldbäume zusätzlich durch das Benagen der dünnen Rinde schädigen.

Wirtschaftlich schwerwiegend ist die Schädigung der Terminalknospe, da dadurch das Höhenwachstum der Pflanze stark beeinträchtigt wird. Einmaliger Verbiss wird in der Regel gut regeneriert, während wiederholter, also mehrjähriger andauernder Verbiss, zu starker Verbuschung und zum Teil auch zum Absterben der Pflanze führen kann.

 Verbiss-Schäden werden vorwiegend durch nicht an die Lebensraum-Kapazität, also das Nahrungsangebot, angepasste Rehwild-Bestände verursacht. Da das Rehwild ein so genannter "Konzentrat-Selektierer", also "Feinschmecker", ist, für das seltene Baumarten ein besonderer Leckerbissen sind, kann Rehwildverbiss zum Verlust seltener Baumarten führen.

In den Nach-Kriegs-Jahrzehnten waren Rehwildbestände und Biotop-Kapazität in einem solchen Mißverhältnis, dass sich vielerorts nicht einmal die Haupt-Baumarten Buche und Tanne natürlich verjüngen liessen. Große gemeinsame Anstrengungen von Forstverwaltung und Jägerschaft konnten dieses Problem in den 1980er und 1990er Jahren in Baden-Württemberg entschärfen.

Schälschäden

Unter Schälen versteht man das Ablösen der Rinde vom Stamm durch Rotwild, örtlich begrenzt auch Sika- und Muffelwild.

Bei den Schälschäden wird in Sommer- und Winterschälschäden unterschieden: Im Winter haftet die Rinde relativ fest am Holzkörper, so dass sie nur in kleinen Stücken abgenagt werden kann. Die Zahnspuren des Wildes sind daher deutlich sichtbar. Erfolgt das Schälen dagegen im Sommer, so kann das Wild die Rinde samt Bast in langen Streifen (bis 1 m) vom Holzkörper abziehen. Winterschälschäden kommen aufgrund der eingeschränkten Nahrungsmöglichkeit des Wildes häufiger vor und sind wirtschaftlich bedeutsamer.

Durch Schälschäden entstehen Eintrittspforten für holzzerstörende Pilze, bei der Fichte vor allem die Rotfäule oder es entstehen Wundüberwallungen und Deformationen; beides meist mit der Folge, dass die Stämme wirtschaftlich nicht verwertbar sind.

Schäden durch Schwarzwild

Schwarzwildstrecken BaWü 1954-2010
Schwarzwildstrecken BaWü 1954-2010

Wildschweine verursachen weniger im Wald als Wald-angrenzenden landwirtschaftlichen Flächen zum Teil enorme Schäden, indem sie auf Nahrungssuche Wiesen umbrechen oder Kulturen wie etwa Maisfelder beschädigen.

Der Schwarzwildbestand in Baden-Württemberg hat in den letzten Jahrzehnten drastisch zugenommen. Für diese Entwicklung wird eine deutliche Verbesserung des Nahrungsangebots und der Nahrungsqualtität angenommen. Mit der Klima-Erwärmung fruktifizieren die Laubbäumen mit schweren, nährstoffreichen Früchten (Eiche, Buche) viel häufiger als in früheren Jahren. Die naturnahe Waldwirtschaft, die Laubbäume begünstigt und mit Naturverjüngung arbeitet, fördert diesen Effekt. Eine wesentliche Ursache dürfte aber der im gleichen Zeitraum start angestiegene Maisanbau sein; für Schwarzwild reines Kraftfutter.

Bemerkenswert ist auch die Beobachtung, dass weibliche Wildschweine in sehr frühem Lebensalter, mitunter bereits als einjährige Tiere, Junge bekommen. Hierdurch wird die Bevölkerungsexplosion des Schwarzwilds zusätzlich angeheizt.

Ursachen der Schäden

  • Mißverhältnis zwischen Biotop-Kapazität und Wilddichte
    h
    ohe Wildbestände führen zu Schäden durch Verbiß und Schälen der Bäume; über den Verbiß seltener Baumarten zu einer Artenverarmung. Verschärft wurde diese Situation durch die waldbauliche Nadelholz-Reinbestands-Wirtschaft im 19. und 20. Jahrhundert, denn Monokulturen sind arm an Nahrung für Schalenwild. Verschärft wurde zusätzlich durch zwei Weltkriege, während derer die Jagd nur unzureichend ausgeübt wurde. Bei schlechter Biotop-Qualität und geringem Nahrungsangebot für das Wild verschärft sich die Situation zu einer Abwärtsspirale - Wildschäden nehmen zu.
    Im Falle des Rotwildes kommt erschwerend hinzu, dass sich Rotwild nicht, wie es seiner Natur entspräche, frei ausbreiten kann, sondern in Baden-Württemberg auf fünf Rotwild-Kerngebiete (Nordschwarzwald, Südschwarzwald, Schönbuch, Odenwald und Allgäu) begrenzt ist. Der Rothirsch ist eigentlich ein Tier der halboffenen Landschaften; durch diese Beschränkung auf Rotwildgebiete wurde er in den Wald gedrängt. Arttypische Wanderungen werden durch Totalabschuß ausserhalb der Rotwildgebiete verhindert. Hohe (Schäl-)Schäden bei nicht angepassten Wilddichten sind die Folge.
  • Landwirtschaft
  • Großflächige Agrarwirtschaft geht häufig einher mit einer relativ hohen Wilddichte. Der Tisch für das Wild vor allem durch energiereiche Äsung reich gedeckt, so dass bei nahrungsarmen Reinbeständen große Ungleichgewichte im Nahrungsangebot zwischen Wald und Feld entstehen.
  • Störung des Biorhythmus
    Die wiederkäuenden Wildarten unterliegen einem täglichen Rhythmus zur Nahrungsaufnahme. Dieser Rhythmus wird gestört durch die häufig angewandte Jagdmethode „Ansitzjagd“, bei der durch häufige Beunruhigung des Jagdreviers und geringer Effektivität das Wild übermäßig in Stress gehalten wird. Ebenso nahm in den vergangenen Jahrzehnten, besonders in Ballungsgebieten, der Druck durch Erholungssuchende und Sporttreibende im Wald, sowie durch eine verkehrstechnischen Erschließung im Wald, deutlich zu.
  • Jagd
    Die Ansitzjagd wurde in den vergangenen Jahrzehnten durch naturnahe Waldwirtschaft deutlich erschwert, da Mischbestandswirtschaft und reichliche Naturverjüngung für eine deutliche Nahrungs- und Deckungsverbesserung für das Wild geführt hat. Wild tritt deswegen seltener auf Freiflächen aus, die gut bejagbar sind.
    Mitunter wurde die Situation mitunter durch (inzwischen verbotene) Kraftfutter-Fütterung verschärft.
    Verschärft wurde sie auch durch einen seit altersher überzogenen Trophäenkult der Jägerschaft, die männliche Trophäenträger jagdlich attraktiver macht als weibliches Wild. Die Reduzierung des weiblichen Wildes als Zuwachsträger und des Jungwildes wurde vernachlässigt.

Maßnahmen zur Vermeidung von Wildschäden

Wichtigstes Ziel zur Vermeindung von Wildschäden ist es, Wildbestand und Biotop-Kapazität in Einklang zu bringen. Dieses Ziel wird bei einer naturnahen, nachhaltigen Waldbewirtschaftung bestmöglich erreicht.

Unerlässlich ist eine effiziente jagdliche Wildbestandsregulierung. Dies bedeutet:

  • Anpassung jagdlicher Konzepte: Großflächige, Revier-übergreifende Bewegungsjagden beunruhigen das Wild an einem oder wenigen Tagen im Jahr und entlasten es das Jahr über vom Jagddruck.
  • Anpassung der Jagdzeiten für männliches und weibliches Rehwild; Bejagung des weiblichen Wildes als Zuwachsträger
  • keine künstliche Aufwertung des Nahrungsangebots durch Fütterung
  • Einrichtung von Wildruhezonen; besonders beim Rotwild

Literatur

Handreichungen zur Verringerung von Wildschäden im Wald und Schwarzwildschäden in der Landwirtschaft gibt die Wildforschungsstelle Baden-Württemberg.